oder weg von Projekt-Management, hin zu Projekt-Leadership!
Projekte leisten einen massgeblichen Beitrag zur Umsetzung der Firmenstrategie. Sie haben damit einen wesentlichen Anteil am Unternehmenserfolg. Umso mehr erstaunt, wie nachlässig oft mit dem Begriff Projekt umgegangen wird und wie wenig Beachtung der professionellen Projekt-Leitung geschenkt wird. Sie aufgrund ihrer Wichtigkeit zur Chefsache zu erklären, wäre aber ein folgenschwerer Trugschluss. Die Funktionen in der Linienhierarchie und in der Projektleitung lassen sich (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen) nicht unter einem Hut vereinen. Es braucht also für die Leitung von Projekten speziell befähigte Personen.
Wie können diese Fähigkeiten erlernt werden?
Gemeinhin verstehen wir unter dem Begriff Lernen vor allem das Trainieren von Fertigkeiten und das Auswendiglernen von Namen, Zahlen und Fakten. Bestenfalls werden uns dabei auch Sinninhalte vermittelt und wir erkennen gewisse Zusammenhänge. Meistens bleibt dieses Wissen aber recht oberflächlich und wird bei nicht regelmässigem Gebrauch bald einmal vergessen.
Nachhaltiger lernen wir aber aus Fehlern. Oder besser ausgedrückt: wir machen Erfahrungen. Diese Form des Lernens praktizieren wir schon von Kleinkind an. Ein Kind, das sich nie die Finger an einer heissen Pfanne verbrannt hat, kann diesen Schmerz auch nach mehrmaligem Hören und Sehen nur schwerlich nachvollziehen. Hat es diese Erfahrung am eigenen Leib einmal gemacht, wird es diese Lektion ein Leben lang nicht mehr vergessen. Diese zeitintensive (und zum Teil schmerzhafte) Akquisition von Erfahrung hat im Besonderen für Bereiche Bedeutung, in denen implizites Wissen gefordert ist. Wissen also, das nur schwerlich zu beschreiben und weiter zu vermitteln ist. Zu diesem Bereich gehört nach Ansicht des Verfassers auch die Projektleitung.
Projektleitung erlernen
Die für einen Projektleiter ganz zentralen Fähigkeiten wie beispielsweise zielorientierte Führung, Konfliktvermeidung und -bewältigung lassen sich weder aus einer hohen fachlichen Ausbildung ableiten, noch mit pauschalen Rezepten beherrschen. Vielmehr erfordern sie ein hohes Mass an natürlicher Autorität und Erfahrung. Sich diese anzueignen braucht einerseits gewisse persönliche Voraussetzungen und viel Zeit, anderseits aber auch – und das ist viel wichtiger – die Freiheit Erfahrungen (Fehler) machen zu dürfen.
In einem Umfeld, wo ein Grossteil der Bemühungen darauf zielt, jegliche Fehler tunlichst zu vermeiden, kann ein angehender Projektleiter viele wertvolle Erfahrungen aber gar nicht machen. Droht ihm sogar noch eine Bestrafung, wird er aus Angst vor der Verantwortung kaum mehr selber Entscheide treffen, sich mit Akribie auf die Verwaltung des Projekts konzentrieren und die Leitung entweder seinen Linienvorgesetzten, oder den Sachzwängen überlassen. Statt also an vielen kleinen (in ihren Folgen meist beschränkten) Fehlern sein Erfahrungswissen mehren zu können, macht er vermutlich irgendwann einmal den ganz grossen Fehler.
Wider die Standards
So wenig, wie Standardsoftware die unternehmerische Vision und die strategische Führung des Unternehmens ersetzen kann, so wenig lässt sich die Projektleitung standardisieren und/oder automatisieren. Das in Büchern und Kursen vermittelbare (=explizite) Wissen beschränkt sich in der Regel auf die Beschreibung und Anwendung von Abläufen und Werkzeugen. Diese recht einfach erlernbaren Techniken leisten unschätzbare Dienste in der Planung, der Dokumentation und dem Controlling eines Projekts. Sie erleichtern die Projektverwaltung(=Projektmanagement im engsten Sinn des englischen Wortteils) indem sie gewisse routinemässige Abläufe in Projekten vereinfachen und standardisieren. Ihre teils schon fast mechanische Bedienung und Einhaltung bietet aber einen nur scheinbaren Schutz vor Misserfolgen und vermittelt ein trügerisches Sicherheitsgefühl.
Der viel gehörte Ruf nach Aufnahme der Projektmanagement-Theorie in die Lehrpläne (z.B. an Fachhochschulen) ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Daneben muss aber auch der schwierige Schritt zur praktischen Anwendung eingeübt sein.
Projekte sind „Lebewesen“
Ein weiterer Grund weshalb das aus Büchern und Kursen erworbene Grundwissen allein nicht vor Pannen schützen kann, liegt darin, dass Projekte organisch wachsen und sich ähnlich wie Lebewesen verhalten. Analog zum Grossziehen von Kindern, kann es keine allgemeingültigen Regeln oder Verhaltensweisen geben. Auch bei anfänglicher Ähnlichkeit zweier Projekte und ihrer Rahmenbedingungen, werden sie sich schon sehr bald einmal ganz unterschiedlich entwickeln. Viel wichtiger als die blinde Beherrschung von Patentrezepten ist hier also die Fähigkeit sich raschestmöglich auf die veränderten Bedingungen einzustellen und angemessen darauf zu reagieren.
Der sechste Sinn
Genau wie der gute Autofahrer, zeichnet sich auch der gute Projektleiter durch einen sogenannten sechsten Sinn aus. Sprich die Fähigkeit, kritische Situationen im Voraus kommen zu sehen und damit frühzeitig Gegenmassnahmen einleiten zu können. Da sich das Linienmanagement an exakten Zahlen und festen Regeln orientiert, ist es in solchen Fällen für den Projektleiter oft sehr schwierig, dieses sein Bauchgefühl glaubwürdig weiter zu vermitteln.
Einflüsse auf Firmenkultur
Um eine bevorstehende Krisensituation wirksam abzuwenden, ist meist rasches, ja sogar reflexartiges Handeln notwendig. Der Projektleiter braucht also unbedingt Entscheidungskompetenz und die Freiheit zu unternehmerischem Denken und Handeln. Dies wiederum bedingt das volle Vertrauen seitens des Auftraggebers. Für den Projekterfolg sind also letztlich nicht Fachkompetenz und die Beherrschung und konsequente Anwendung von sog. Projektmanagement-Tools ausschlaggebend. Viel wichtiger ist, dass der Projektleiter über grosse Erfahrung und eine hohe Sozialkompetenz verfügt. Doch kann auch die Wahl des geeigneten Projektleiters allein nicht genügen. Vielmehr sollte Projektmanagement eine Denkhaltung sein, welche in der gesamten Linienhierarchie verstanden, unterstützt und im Idealfall auch vorgelebt wird. Neben der Förderung von effizienter, sachlicher und zielorientierter Führungs- und Arbeitsweise, impliziert dies aber auch das Überdenken von Kontroll- und Beurteilungsmechanismen. Fehler machen muss erlaubt sein und die Zusammenarbeit soll von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägt sein.
So kommen wir weg von den Strohmännern und Projekt-Verwaltern, hin zu unternehmerisch denkenden Persönlichkeiten und Projekt-Machern, oder eben: Weg von Projekt-Management, hin zu Projekt-Leadership.